Wie schön ist doch das Leben auf dem Land. Viel Platz, frische Luft, Tiere auf der Weide und im Wald, man kennt die Anderen, das Dorf arbeitet und feiert zusammen, die Außen-Tür zum Hauswirtschaftsraum ist nicht abgeschlossen und die Kinder spielen überall nur nicht im Haus. – Was für eine Idylle! – Wäre es nicht schön dort zu leben?
Ein vllt. überzeichnetes Bild doch alle Teile habe ich in verschiedenen Zusammenstellungen schon erlebt und als toll empfunden. Den Wunsch nicht mehr in der (Groß-)Stadt leben zu müssen ist ja kein unüblicher.
Dabei kann das Ziel sehr variieren. Für die Eine ist es die Hallig für den Anderen die Alm wo es das Herz hinzieht. Um es zu realisieren muss dann vor Ort gearbeitet werden z.B. Tourismus, Infrastruktur oder Handwerk oder es wird mehrere Stunden weit gependelt. So wir täglich hin- und her-gefahren oder der Arbeitnehmer zum Werktag-Single. Im Büro angekommen wird dann 8h vor, am, mit dem Computer gearbeitet. Mittags geht es in die Kantine. Ein paar mal im Monat ein Meeting. Um mal mal ein Klischee eines Büro-Arbeitstag darzustellen.
Muss man dafür in der heutigen Zeit wirklich täglich die Strecke in die nächste Stadt ins Büro fahren? – Ich denke nicht.
Ja, Servicekräfte oder Fertigungsmitarbeiter müssen an ihrer Wirkungsstätte erscheinen, ich spreche hier auch erst einmal von reinen Schreibtisch-Tätern. Zu derartigen Tätigkeiten sind eine ganze Reihe von Berufen ja eindeutig geworden, auch wenn viele Chefs oder Mitarbeiter es nicht gerne zugeben wollen. Remote-Arbeit ist nicht nur etwas für Selbständige oder Unternehmer.
Soweit zur vereinfachten Vorstellung der Ist-Situation. Lassen wir also das Gedanken-Spiel beginnen.
Shared-Office mit eingebautem Dorfleben
Die Basis-Idee sind kleine, hyperlokale CoWorking-Spaces aufm Dorf.
Von „normalen“ CoWorking-Spaces ausgehend eine Räumlichkeit, die für 20 – 50 Personen Platz bietet. Egal ob im Dorfkrug, umgebaute Scheune/Stall oder ein Neubau. Das ganze zentral im Dorf gelegen um ein Erreichen zu Fuß in wenigen Minuten zu gewährleisten.
Mit schnellem Internet (Glasfaser als Buzzword hier), professionellen Arbeits-Möbeln z.B. Stehschreibtische, ergonomische Sitzgelegenheiten und üblichen Getränken ausgestattet. Die gemütliche Sofa-ecke zum socializing nicht vergessen. Sowie das Gegenteil praktikable und technisch fortgeschrittene Telefon/Skype-Zellen, die ungestörte Telekommunikation zu lassen. Einer der wichtigsten Punkte um zweifelnde Chefs zu überzeugen Remote-Arbeit zu erlauben.
Wer die soziale Interaktion mit den Arbeits-Kollegen vermisst wird diese mit den Interaktionen mit den CoWorkern ersetzen.
Hier können nun Dorfbewohner ihren Bürojobs nach bekanntem Remote-Working-Prinzip nachgehen. Manche täglich, andere ein paar Tage die Woche, weitere in Teilzeit oder freischaffend.
Egal ob Vollzeit-Angestellt, Selbständig, Wieder-Einstieg oder Aussteiger aus dem Arbeitsleben verschiedenste Disziplinen können in einem Space arbeiten.
Das Erwerben von spezialisierten fortgeschrittenen Bildungsangeboten mittels Fern-/Tele-Bildung kann ebenfalls in diesen Orten ermöglicht werden, dies gilt für jung, älter und alt gleichermaßen. Nicht jeder Haushalt in strucktur-schwächeren Regionen besitzt moderne Gerätschaften, welche die Teilnahme an diesen Angeboten erlauben.
Naheliegende Vorteile
Es muss weniger gependelt werden, das spart Zeit, Geld und freut die Umwelt. Für die gelegentlich anfallenden Fahrten in die Zentrale oder für Kundenmeetings können Fahrgemeinschaften, die Kollegialität unter den CoWorkern lässt diese leichter entstehen, oder auch die Öffentlichen genutzt werden. Großräumige Fahrzeuge sind im ländlichen Raum üblich. Auf diese Art und weise kann auch die Reise zum Firmen-/Team-Retired angetreten werden.
Die Dorfgemeinschaft insgesamt wird gestärkt. Das Dorf erhält auch tagsüber wieder mehr „Leben“, was Vereine oder die Freiwillige Feuerwehr stärkt. So können die Erwachsenen-Teams/-Gruppen regelmäßiger und vollständiger trainieren/üben und das Angebot verbreitert werden, da das trainierende Personal seine Zeit nicht im Auto verbringt.
Auch erfordern so einige Hobbys Platz bzw. Natur egal ob Rad fahren, Down-Hill, Surfen oder Reiten. Die Nähe zum Ausübungsort ermöglicht die Häufigere Ausübung.
Langfristiger gesehen
Eine etwas langfristigere Folge ist die Stärkung der lokalen Wirtschaft. So können (Lebensmittel-)Geschäfte oder Direktvertrieb durch Landwirtschaftliche Betriebe, Gastronomie oder andere Angebote wieder mehr Geld verdienen (Lokalitätsprinzip), da die Menschen mehr Zeit im Ort verbringen und nicht täglich an den großen Einkaufsläden vorbei pendeln und dort ihr Geld gegen Waren tauschen.
Viele Personen sind ihrem Geburtsort oder Jugendzeit-Regionen sehr verbunden. Sie müssen diese Orte aber verlassen und in große Städte ziehen um Ausbildung und Berufsleben zu betreiben. Der Auszug für die Ausbildung ist vllt nicht komplett zu verhindern, aber das Praktizieren des Berufes kann auch aus abgelegenen Orten statt finden. Berichte über bessere Stimmung und Konzentration durch Natur-Nähe sind mir wohl bekannt. Mehr junge Leute in so manchen Landstrich oder Inseln täten gut, um ein Aussterben der Siedlungen zu verhindern. Der Haupt-Faktor hierfür ist stets Arbeitsplätze.
Einbeziehend
Ein generationsübergreifender Space wäre auch machbar – eine Kombination oder Nähe von CoWorkingSpace und Kindergarten, Kita und Schule. So könnten Elternteile und Kinder unweit von einander den Tag nutzen. Eine Trennung von Arbeitsplatz und Spielplatz ist sinnvoll – Ein 5 Minuten Spaziergang ist dafür oft ausreichend.
Auch ist ein gemeinsames Mittagessen für Interessierte denkbar. Hier können die Großeltern-Generation und lokale Erzeugnisse einbezogen werden. Eine Beschäftigung und einen Beitrag zur Gesellschaft ist ein häufiger Wunsch dieser Personen.
Besucher willkommen
Ein schöner Effekt ist, dass man (Familien-)Besucher, die ihren Lebensmittelpunkt an einem entfernten Ort haben, für mehr als nur das Wochenende bleiben können. Da sie auch vom Land aus ihren beruflichen Pflichten in uneingeschränkter Form nachkommen können.
Ein Punkt der mich als sog. digitaler Nomade sehr anspricht ist, dass ortsunabhängige Zeitgenossen nicht mehr nur die Option zum Leben in relativ großen Städten haben. Nicht umsonst sind ländlicher gelegene Spaces zunehmend beliebt. Viele der Nomaden sind natur-verbunden und würden diese Möglichkeiten sehr schätzen. Eine Gelegenheit fremdenfeindliche Tendenzen auch im Ländlichen abzubauen.
Ein intern-disziplinärer und -kultureller Austausch ist eine höchst wertvolle Tätigkeit, die Fortschritt und Erfolge stark fördert. Besonders in strucktur-armen Regionen eine Chance vermeintliche Nachteile in Vorteile zu konvertieren.
So können in regelmäßigen moderieren Veranstaltungen, ggf. auch Space übergreifend mit dem Nachbardorf, Fähigkeiten und Erfahrungen geteilt und gelehrt werden.
Nachteile
Ich habe diesen Artikel als Gedankenspiel betitelt um es mir etwas einfacher zu machen. Allerdings fallen mir nicht wirklich Nachteile ein. Das Leben auf dem Land ist sicherlich nicht für alle da draußen, aber eine Geschmacks-Frage ist ja auch kein echter Nachteil.
Habe ich etwas gravierendes übersehen? Die Kommentare sind offen …
Beispielrechnung
Nehmen wir mal ein kleines Dorf mit groß-teils Familien mit 1.400 Bewohnern. Dann sind statistisch 50% berufstätig -> 700 Personen. Sagen wir 1/3 angestellte Büro-Arbeiter -> 210 Personen. Selbst wenn davon 1/5 zum CoWorking willig wären sind es noch ca. 42 Personen. Dazu kommen dann noch Elternteile, die gerne unregelmäßig neben der Erziehung ein eigenes Gewerbe betreiben oder sich bilden.
Machbarkeit
Sicherlich wäre ein hyper-lokaler Space mit viel Hingabe verbunden und wäre eher ein soziales Projekt.
Hierbei sehe ich für geschäftstüchtige Dorfkrug-Betreiber mit leer stehenden Räumlichkeiten, die auch zunehmen weniger vom Tanztee oder der Kneipe leben können, ein neues Standbein. Oder ein langfristiges Dorf-Entwicklungs-Projekt eines modernen Bürgermeisters, der Leute, Wirtschaft und Dorfgemeinschaft stärken möchte.
Ich denke es ist eine interessante Möglichkeit zeitgemäß zu arbeiten und trotzdem an tollen natur-nahen Orten zu leben. Etwas was ich mir für meine Heimat – die Region Schleswig/Schlei wünsche.
Habe ich unvermeidlichen Vorteile vergessen aufzulisten, die dir sofort in den Kopf kommen? Schreibe sie in die Kommentare.
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